Interview Mammoet Ferry Transport: „Nischenmarkt, der spezielle Expertise erfordert“
„Wegen des Brexit sind wir dabei, unser Equipment zu vergrößern. In einem ersten Schritt haben wir von 400 auf 485 Trailer erhöht und wachsen jetzt weiter bis auf 600 Trailer“, erzählt Paul Kruisbergen von Mammoet Ferry Transport. Der Betriebsleiter nennt drei Gründe. „Zuerst einmal brauchen wir durch den Brexit für das gleiche Volumen mehr Trailer. Durch die ganzen zusätzlichen Formalitäten dauern die Transporte länger. Außerdem erwarten wir, beim Verkehr mit dem Vereinigten Königreich weiter wachsen zu können. Darüber hinaus haben wir Anfang 2022 den Direktverkehr von Rotterdam nach Irland aufgenommen.
Wasserbetteffekt hin zu unbegleitetem Transport
Für Mammoet Ferry Transport hatte der Brexit eine positive Folge. Auch Corona hat dabei geholfen. „Wir führen als Unternehmen nur unbegleitete Transporte durch. In der Coronazeit sahen wir einen deutlichen Wasserbetteffekt, bei dem Ladung von den Kanalrouten mit viel begleiteten Transporten zu den Häfen für unbegleiteten Transport verlagert wurde.“ Kruisbergen stellt außerdem fest, dass viele Transporteure, für die das Vereinigte Königreich nur ein Nebenschauplatz war, abgesprungen sind. „Das Vereinigte Königreich ist jetzt echt ein Nischenmarkt, der spezielle Expertise erfordert. Es ist nicht einfacher geworden, ihn zu bedienen. Nicht jeder Transporteur will sich dabei die Finger verbrennen. Das spielt uns in die Hände.“ Ein Selbstläufer ist das übrigens nicht. „Für die administrative Verarbeitung von Aufträgen, die Eingaben in die Zollsystem etc. haben wir in unserem Unternehmen neun zusätzliche Mitarbeiter eingestellt.“
Kenntnisse erweitern
Mammoet Ferry Transport gehört zum Logistikdienstleister NeeleVat. Mit einem Team von 30 Deklaranten kann das Unternehmen auch die gesamte Zollabfertigung für die Kunden übernehmen. Nach Meinung von Kruisbergen war die Erweiterung der Kenntnisse als Vorbereitung auf den Brexit die wichtigste Aufgabe. „Eigentlich war für jeden der Umgang mit Dokumenten neu. Das hat vor allem in den ersten Monaten nach dem Brexit zu einigen Problemen geführt. Alle Datenübermittlung findet bei uns elektronisch mit EDI-Berichten statt. Aber letztendlich muss jeder wissen, welche Informationen dafür benötigt werden. Die größte Herausforderung war, in kurzer Zeit den Wissenstand bei Kollegen, Kunden und Transporteuren zu vergrößern. Wir haben immer versucht, diesbezüglich in einfachen Worten zu kommunizieren. Wir wollen einen schwierigen Prozess für jeden so einfach wie möglich machen. Sowohl administrativ als auch beim Transport selbst.“
Schwaches Bild
Die Verschiebung der für den 1. Juli 2022 angekündigten nächsten Zollregelungen durch die britische Seite nennt Kruisbergen ein schwaches Bild. „Wir waren darauf vorbereitet, das Vereinigte Königreich offensichtlich nicht. Die Frage ist, wann sie wohl so weit sind. Wenn es immer wieder Verschiebungen gibt, wird es schwierig, der Logistikkette zu erklären, dass man vorbereitet sein muss. In neun von zehn Fällen passiert das deshalb erst im letzten Moment.“
Rotterdam als Vorbild
Mammoet Ferry Transport fährt von Rotterdam aus mit allen Fährgesellschaften: DFDS, StenaLine, CLdN und P&O. Kruisbergen begrüßt, wie der Hafen die notwendigen Brexit-Prozesse eingerichtet hat. „Vor allem die Entscheidung, über Portbase mit einem einzigen System den Informationsaustausch mit allen Reedereien zu organisieren, funktioniert sehr gut.“ Das Vereinigte Königreich könnte sich an der Rotterdamer Vorgehensweise ein Beispiel nehmen.“ Er fände es schön, wenn die Niederlande die digitalen Systeme noch weiter miteinander verknüpfen würden. „Sodass zum Beispiel die Daten aus einer Exporterklärung automatisch in der ENS (Entry Summary Declaration) zu verarbeiten sind und von dort aus von selbst wieder in eine Importanmeldung gelangen.“
Zeit und Aufmerksamkeit vermeiden Fehler
Auch Mammoet Ferry Transport hatte es nach dem Brexit im Verkehr aus dem Vereinigten Königreich mit Mismatches zu tun. Zurückblickend stellt Kruisbergen fest, dass die niederländische Zollbehörde hier in der Anfangszeit flexibel mit umgegangen ist. Inzwischen kann der Fährtransporteur Unstimmigkeiten zwischen dem Manifest und der Einfuhranmeldung größtenteils vermeiden. „Das ist vor allem unserem System und den EDI-Verbindungen zu verdanken. Vorweg haben wir den dafür benötigten Informationen viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet. Das wirkt sich für uns jetzt echt vorteilhaft aus.“